Freitag, 2. September 2016

Nordsee Haven, unsere Tour


Am 2. September war es dann soweit. Nachts um 1:29 verliess der CityNightLine den Hauptbahnhof Karlsruhe Richtung Norden. In Hannover hatten wir dann fast 2 Stunden Zeit zum Umsteigen. Genug Zeit zum Frühstücken und eine kleine Stadtbesichtigung bevor es dann mit der Bahn über Oldenburg, Sande nach Esens ging. Am Freitag Mittag waren wir dann in Esens. Die Museale Ostfriesische Teestube war unser erster Stopp zum Einstimmen.
Von Esens mitten in Ostfriesland starteten wir dieses Mal unsere Radtour. Im letzten Jahr war der Start in Emden, wir hatten damals ein festes Quartier in Norddeich, von wo aus wir die Nordwestecke mit den Inseln Baltrum inklusive Wattwanderung dorthin und Norderney erkundeten.
Diesmal radelten wir nach Bensersiel, Hornumersiel und in Carolinensiel im Hotel Hinrich und der Ferienwohnung Baltrum war unser erstes Quartier. Am Hafen mit dem kleinen Raddampfer liessen wir den Abend ausklingen.
Am 2. Tag radelten wir über Jever, die Langsamstrasse nach Wilhelmshaven, wo wir in Beans-Park-Hotel (Bett&Bike) übernachteten. Sehr stimmungsvoll und schön eingerichtet, wenn man im Zwischendeck übernachtet, wird man richtig eingestimmt.
Am 3. Tag ging es um den Jadebusen am Skulpturenpfad entlang zur Künsterkolonie Dangast. Nach dem Besteigen des Throns von Kaiser Butjatha und ausgiebigem Matschen im Watt deckte ich mich bei der Seifensiederin mit Wattseife ein und geniesse die wohltuende, energiereiche und gesunde Wirkung des Watts hier zu hause, bis es mich hier wieder mal nicht hält und ich wieder hoch muss. Weiter ging es dann nach Butjadingen in den Eckwardener Hof.
Am 4. Tag ging es weiter an der Küste, das Wetter wurde immer hochsommerlicher, in der Gegend zwischen Tossens und Burhave an der Lagune Butjadingen am Skulpturenpfad und dem Steg wurden die Füsse tief ins Watt eingetaucht. Und schreckten damit die Krebse auf. In Blexen war die Fähre leider immer noch nicht in Betrieb und so ging es mit dem Bus nach Bremerhaven. Die Busfahrerin tat alles, dass wir alle unsere Räder unterbrachten. Faszination im Deutschen Auswandererhaus und am Fischereihafen klang dann dieser Abend aus. Übernachtet haben wir im Havenhostel Bremerhaven mit Blick auf ein Containerschiff auf der einen Seite und den Kopf eines ausrangierten Leuchtturms auf der anderen Seite. 
Am Meer entlang, durch Wälder, schon etwas hügelig ging es am 5. Tag nach Duhnen, Dosse, Cuxhaven. Aufgeregt schaute der Rettungsdienst vom Aussichtspunkt, ob noch jemand auf dem Weg von der Insel Neuwerk ist, die Flut lief auf, die Watt-Pferdewagen, die ich bei den letzten Touren beobachten konnten, waren diesmal demzufolge nicht mehr unterwegs sondern schon auf Neuwerk. Entschädigt wurden wir, es war Hochsommer, am Sandstrand an der Kugelbake konnte man sich in die recht warme Nordsee stürzen, es war allerdings Fussmarsch angesagt, bis das Wasser einigermassen tief war. Es war einfach schön. In der Bucht zwischen der Kugelbake und Cuxhaven klang dieser Abend aus, wir konnten die Containerschiffe beobachten. Im Havenhostel Cuxhaven mit Blick in den Fischereihafen vom Bett aus, war wieder die Verbindung hier zur Oststadt da. Meine Nachbarin ist an der Rezeption. Hier in Karlsruhe haben wir uns eigentlich nie getroffen, auf jeden Fall nicht so, dass wir einander gekannt hätten; dazu muss man halt an die Nordsee fahren. 
Am 6. Tag ging es die Elbe hinauf. Otterndorf und dann über das Gebirge einer Endmoräne bei Wingst zur Schwebefähre über die Oste in Hemmoor. Von dort mit der Bahn nach Hamburg. Reeperbahn, Davidswache. Am Containerterminal Unilever klang dieser Abend aus. Übernachtet haben wir in der Jugendherberge Am Stintfang über den Landungsbrücken.
Am 7. Tag ging es nochmal die Elbe hinab, Alter Schwede, Blankenese, Leuchtturm Wittenberge, wo es am Strand ein letztes Mal diesmal in die Elbe zum Schwimmen ging. Von hier war es dann nicht mehr allzuweit zur Schiffsbegrüssungsanlage Willkomm Höft, wo jedes Schiff mit seiner Nationalhymne begrüsst wird und man allerlei Interessantes zu dem Schiff erklärt bekommt. Und noch was, auch an uns Radler wurde hier gedacht, eine Säule mit Druckluft und allerlei Werkzeug für die kleine Reparatur. Weiter geht es hier in Schleswig-Holstein über Elmshorn, Glückstadt wieder an die Nordsee. Aber für uns endete hier mitten im Beginn des Hochsommers im September die Tour und es ging zurück nach Altona.

Das mal als Überblick.



Zunächst noch eine Bemerkung. Viele Informationen und Bilder zu dieser Tour finden sich in meinem Blog zur Vortour. Hier diese Blogs der Tour ergänzen diese Beschreibung, hier geht es jetzt um das Gemeinschaftserlebnis.
Und das begann schon mal gleich in Esens mit einem Speichenbruch. Dererlei begleitete uns auf der Tour wie die Havenstädte, die man hier mit "V" schreibt. Am Ende der Tour, natürlich kurz vor dem Ziel hinter dem Willkomm-Höft der letzte Speichenbruch, hatten wir deren vier, während wir mit Wilhelmshaven, Bremerhaven, Cuxhaven nur drei der "Haven" hatten. Aber wir wissen jetzt, wo man in Esens Speichen bekommt, wo sie in Carolinensiel auf die Schnelle frühmorgens repariert werden und dass Speichen in Bremerhaven auf dem Weg zum Auswandererhaus auch ruck zuck repariert werden, wenn man zu tatkräftiger Mithilfe bereit ist. Und wir wissen jetzt, für was ein Schutzbrief gut ist und für was weniger.
Hier eines der Korpus delicti, noch seiner Reparatur harrend:
Doch das nur zur Vorgeschichte. Ansonsten war die Tour der reine Genuss. Alles passte. Wir waren eine harmonische Gruppe, das Wetter wurde von Tag zu Tag hochsommerlicher, wir hatten viel Rückenwind, die Nordsee lud zum Bade, das Watt zum waten ein. Radel-, Kultur- und Kururlaub in einem. Und am Schluss wollte eigentlich niemand wirklich nach Hause. Dummerweise hatten wir schon unsere Fahrkarten, die Lehrerinnen mussten zur Konferenz, Dienstpläne und Kunden warteten auch schon.
Aber seit ich entdeckt habe, dass man für ein Deutsche-Bahn-Ticket zu 14 EUR spontan mit dem Birdy an die Nordsee kommt, steigt der Suchtfaktor :-)
Und wie gesagt, wir waren gut drauf.

In Hannover kam unser Nachtzug an, wir hatten fast 2 Stunden, bis es nach Oldenburg weiterging. Zeit für ein kleines Frühstück, bei mir war es Ziegenkäse mit Tomaten und Erdbeeren. Lecker, lecker. Und dann reichte es noch bis zum Stadtkern mit dem alten Rathaus, in dessen Standesamt in aller Herrgottsfrühe bereits eine Trauung stattfand.

Hannover Marktkirche
Gegenüber die Luthersche Marktkirche. Interessant und aufschlussreich die Symbole, die sich wahrscheinlich unterschiedlich interpretieren lassen. An der Kirchturmspitze würde man ein Kreuz oder einen Christkönig oder andere christliche Symbole erwarten. Und praktischerweise auch eine Turmuhr. Aber so fällt als erstes der Davidstern auf. Das Judentum ist schliesslich die Wurzel. Gegenüber ist über dem Davidstern das Kreuz, es weist somit auf diese Wurzel hin. Auf der anderen Seite das Pentagramm, das Symbol des Teufels. Mit diesem hatte Luther ja immer seine Auseinandersetzungen, in der Wartburg erwehrte er sich ja des Teufels durch den Wurf eines Tintenfässchens. Und dann nach vorne das Kreuz, das was man auf dem Kirchturm als Zeichen einer christlichen Kirche erwartet.
Das ist jetzt meine Interpretation, sie könnte passen. Rein logisch.


Das Kreuz über dem Davidstern und darinnen die Turmuhr. Somit ist alles komplett.

Inzwischen sind wir in Esens - Bensersiel angegekommen, Ein eingleisiger Bahnhof irgendwie am Ende der Welt. Der Fähranleger Bensersiel zur Insel Spiekerooge ist noch 5 km weg, man kann mit dem Bus hinfahren oder an einem Tief von Esens aus hinradeln. So wie wir es gemacht haben. Wir radelten von dort an der Küste weiter Richtung Harlinger Siel, Carolinensiel. Hier das Rathaus von Esens. Dann in der ostfriesischen Teestube Stadt Schkür war ein 2. Frühstück ein Muss, auch wenn wir vielleicht erst 1 km geradelt sind. Aber die Stube ist einfach zu schön und die ideale Einstimmung und Entschleunigung für Ostfriesland.

Gestärkt in der Ostfriesischen Teestube mit einem Krabbenfrühstück und die Milch so in den Tee fliessen gelassen, dass kleine Wölkchen aufsteigen, ...


radeln wir jetzt wohlgemut Richtung Neuharlingersiel, unterstützt von Rückenwind. Das Wetter ist noch etwas gemischt.
Neuharlingersiel mit seinem malerischen Fischereihafen
Durch die Hochwassertore geht es jetzt weiter von diesem Siel nach Carolinensiel, der Etappe dieses ersten Tages. Hier gab es auch ein grosses Fahrradgeschäft am Ortsausgang, wo am nächsten Morgen die gebrochenen Speichen ausgetauscht wurden.

Caroline - Cliner Wind, der für Lebensfreude, Weltoffenheit, Tatkraft und Wagemut steht. Aufgestellt zur 275 Jahrfeier von Carolinensiel im Jahr 2005


Schon weiter sommerlicher wurde das Wetter am Morgen des zweiten Tages auf dem Weg nach Jever. Es war 12 Uhr, als wir eintrafen und wir wurden vom Glockenspiel begrüsst. Angeführt wurde der Reigen von Edo Wiemken, dem letzten Häuptling des Jeverlandes und Fräulein Maria seiner Tochter.


Die Stadtkirche von Jever. Im Chorraum ist das bedeutende Edo-Wiemken Denkmal.

Das Edo-Wiemken-Denkmal steht im historischen Chor der Stadtkirche von Jever, den Edo Wiemkens Tochter Fräulein Maria von Jever in eine Grabkapelle umwandeln ließ, damit dort von 1561 bis 1564 das Grabmal für ihren Vater entstehen konnte. Das von Heinrich Hagart geschaffene Grabmal gilt als bedeutendes Zeugnis niederländischer Bau- und Schnitzkunst der Renaissance. Hagart war ein Schüler von Cornelis Floris II., einem bekannten Antwerpener Architekten und Bildhauer.
Das Besondere ist zudem, dass es das Denkmal überhaupt noch gibt. Das Grabmal überstand zwei Brände der Stadtkirche in den Jahren 1728 und 1959, da es früher nicht direkt zugänglich war, sondern sich hinter einer geschlossenen Steinwand befand. Die Steinmauer wirkte wie eine Brandmauer und rettete beide Male das Denkmal vor den Flammen.
Beim Wiederaufbau der Stadtkirche 1962–1964 wurde der ehemalige Chor in den neuen Kirchenbau einbezogen, indem man das neue Kirchengebäude vor den alten Chorteil setzte und die ursprüngliche Steinmauer durch eine Glastrennwand ersetzte, so dass das Grabmal heute angeschaut werden kann.
Edo Wiemken war der letzte Häuptling, seine Tochter Fräulein Maria hatte keine Nachkommen und übergab das Jeverland an das Herzogtum Oldenburg.
 Die Türme der Jeverbrauerei im Hintergrund
Vor der Jever Brauerei. Wenn die Sonne an der richtigen Stelle steht, sieht man die Glastürme schon von weitem reflektieren und sie weisen den Weg Richung Jever.
Der Herr interessiert sich für die Brauerei, während die Frau lieber zurück zum Park, der Stadt und dem Schloss schaut.

Und im Hof des Schlosses von Jever, da laden Trommler zum Tanzen ein.
Nachdem wir im Schlosscafe genossen und uns gestärkt haben, radelten wir weiter. Ich halte die rechte Strassenseite im Auge, die Langsamstraße will ich nicht verpassen. Diese Einmündung in den Wald kam mir bekannt vor und tatsächlich, gefunden!.

Auf dem weiteren Weg hiess es dann Entschleunigen.  Die Langsamstraße. Jede Station lud ein zu rasten, zu den Würmern unter die Erde zu gehen, Spass zu haben.




Ankunft in Wilhelmshaven Beans Parc Hotel. Es geht unkompliziert zu. Man kommt an. Fährt zum Schlüsseltresor. Dann ruft man an und bekommt den Code, um den Schlüsseltresor zu öffnen. Gleichzeitig erfragt man die Nummer des Fahrradschlosses, das im benachbarten Hof das Hoftor zum überdachten Fahrradstellplatz sichert, Beans ist ein Bed & Bike Hotel. So stehen einem jetzt die Zimmer zur Verfügung. Und am Fahrradplatz stand sogar ein Transportwagen, sodass wir bequem das Gepäck zum Hotel karren konnten. Transport der Fahrradpacktaschen zum Hotel.

Schnell unsere Zimmer beziehen und dann Wilhelmshaven erkunden.
Die Kaiser-Wilhelm-Brücke, eine Drehbrücke mit 2 Drehlagern, um grosse Schiffe durchzulassen.



Am nächsten Tag ging es um den Jadebusen nach Butjadingen.
Sehr bald beginnt ein Skulpturenpark. In 7 Stationen wird erklärt, wie von der Vergangenheit bis heute der Deichbau funkioniert. Die Festigkeit gibt ein Kern aus Sand. Aber dieser würde weggespült, wenn er nicht durch den Kleiboden geformt und festgehalten würde. Das ganze wird begleitet durch die Parallelen zu den 7 Tagen der Erschaffung der Welt aus der Genesis. (Weitere Stationen siehe in meiner Vortour unten)
Der Skulpturenweg endet in Dangast, der Künstlerkolonie.

Kunstgewerbe, Cafes, ein Bahnhofschild im grossen Restaurant, das wohl irgendwann einmal das Bahnhofsrestaurant war, .. Hier war die Seifenmanufaktur. Ursel entdeckte die Dangaster Sole-Wattseife. Bei der Seifensiederin konnte ich mir mein geliebtes Watt nach Hause holen. Diese Seife ist genial, für die Füsse ebenso wohltuend wie eine kleine Wattwanderung.  Wenn ich mich damit einseife, schwebe ich kurz mal schnell an die Nordsee.
Vor der Künstlerkolonie Dangast steht im Watt der Thron des Kaisers Butjatha. Gelegenheit durch das Watt zu waten, um auf dem Thron Platz zu nehmen. Doch kaum hatte ich das getan, schob sich eine schwarze Wolke heran, ein Blitz schlug ein und die Schleusen des Himmels öffneten sich. So waren wenigstens meine Füsse wieder gewaschen, bis ich oben war.
Wenn man Dangast verlässt, kommt man gleich an der Station Varel der mitteleuropäischen Gradmessung vorbei, wo 1866 die Erde vermessen wurde. Die letzte Vermessungsstation auf unserem Weg war in Jever. Die nächste ist in Langwarden, wo wir heute abend sein werden.
Und übrigens, wenn sich jemand noch an den alten 10-Mark Schein erinnert, auf diesem war dieses Vermessungsblatt zu sehen.




Und wieder ein Speichenbruch, der Regen holt uns wieder ein, ich erkläre die weitere Tour, zeige, dass es keinen alternativen Übergang über die Weser gibt, und wir, wenn die Fähre noch außer Betrieb ist, den Busersatzverkehr nehmen müssen.
Wir kommen jetzt am  Schwimmenden Moor vorbei. Der Deichbau an dieser Stelle war in der Vergangenheit immer fast ein Ding der Unmöglichkeit. Der Deich war immer zu niedrig. Mühsam wurde er mit Kleiboden aufgeschüttet und erhöht. Aber das währte nicht lange und der Deich war wieder so niedrig wie vorher. Und bei der letzten Erhöhung war die Wirkung nur die, dass der Deich wieder versank und sich dafür die Straße auf der anderen Seite um 2 Meter anhob. Der Grund ist, dass unter dem Watt mächtige Torfschichten liegen. Irgendwann rammte man riesige Spundwände an diese Schwachstelle des nicht zu realisierenden Deiches. Die Naturkräfte von Ebbe und Flut sind aber natürlich geblieben. Wenn das Hochwasser landseits drückt, hebt sich jetzt dass Moor und die ganze Landschaft schwimmt jetzt zwischen dem Meer im Jadebusen und der Spundwand. 

Endlich kommen wir wieder auf festeres Land und wir können wieder von der Strasse runter auf die Deichstraßen.
In Eckwarden war es dann soweit, wir werden von einem phänomenalen Regenbogen empfangen, extra für uns installiert. Und damit haben wir den Regen endgültig hinter uns gelassen, ab jetzt beginnt der Hochsommer. Ankunft im Landgasthof Eckwarden. Das Schollenfilet ist die Spezialität. Lecker, zart und vor allem, man muss sich bemerkbar machen, wenn man satt ist. Denn der Kellner legt immer wieder neue Schollen auf den Teller, wenn sie zur Neige gehen.
Auf der anderen Strassenseite das historische Ortszentrum mit Feuerwehrhaus, Schule,  Kirche,  Friedhof, Gerichtskeller, Schandpfahl.







Der Glockenturm ist nicht das Türmchen auf der Kirche, sondern dieses Glockenhaus. Früher gab es noch nicht  die Technik der Spundwände. Bei diesem nachgiebigen Boden war es unmöglich, die grossen Kirchtürme im Lot zu halten, irgendwann begannen sie sich zu neigen. Wie man es sehr oft in Friesland sieht. Also baute man abseits diese Türme. Diese haben auch den Vorteil, dass man sie von der Straße aus bedienen kann, wenn Gefahr in Verzug ist. Die Türen unten können geöffnet werden und dort stehen dann  neben den Bedienelementen für die Glocken die Anweisung, welche Glocke wie geläutet werden muss, bei Brand, Überschwemmung, und anderen Arten von Katastrophen. Das sind  noch Ortsgemeinschaften, wo jeder sich für jeden verantwortlich fühlt.
Dazu passten irgendwie auch die Wahlplakate, die für die Kommunalwahl überall hingen. Themen aus dem Alltagsleben, die den Leuten auf den Herzen liegen. Und Wahlplakate, wo man sich ein Lachen manchmal nicht  verkneifen konnte. Bei einer Kandidatin konnte man sich des Eindrucks nicht verwehren, "hilfe, wählt mich auf keinen Fall".  

Und jetzt war der Regen endgültig vorbei, der Hochsommer war im Anmarsch.
Im Eckwardener Hof war unser nächstes Quartier
Eckwarden  mit Gerichtsbarkeit (öken = ausgleichen, das "Eck" im Namen), ein Warftort ("warden" im Namen). Der Gerichtsort war in den Grabkellern.


Am nächsten Tag radelten wir um Butjadingen.
Aber zuvor war mal wieder Speichen richten angesagt.
Vom Seebad Tossens sieht man am gegenüberliegenden Ufer den Jadeport 2000, den neuen Containerhafen nördlich von Wilhelmshaven. Er ist ausgelegt für die riesigen Containerschiffe, damit will er seine Vorteile gegenüber Bremerhaven und erst recht Hamburg ausspielen. Die riesigen Containerschiffe mit Ziel Hamburg können voll beladen den Containerhafen in Hamburg nur auf der Flutwelle erreichen. Deswegen gibt es Pläne, die Elbe zu vertiefen, was aber aus Naturschutzgesichtspunkten äusserst umstritten ist. Denn in die Vertiefung fliesst ja Meerwasser und kein Süßwasser der Elbe, was die Flora und Fauna der Elbemündung zwischen Hamburg und Cuxhaven gravierend verändert. Und überlagert wird das ganze durch die jahrhundertealte Konkurrenz zwischen der Hanse und Oldenburg in Niedersachsen. Wobei Bremerhaven selbst seine Existenz wiederum dieser Abneigung des Fürstentums Oldenburg zur Hansestadt Hamburg verdankt. Als Bremen wegen der Verlandung der Weser schon vor 200 Jahren für immer weniger Schiffe erreichbar war, wurde ein neuer Hafen gebraucht. Aber Cuxland mit Cuxhaven gehörte zum grössten Teil zur Hanse Hamburg. Mit Ausnahme der Dörfer im Gebiet des heutigen Bremerhavens. Das gehörte nach dem Anschluss von Jeverland (siehe weiter oben Fräulein Maria, die Tochter des Häuptlings Edo Wiemken im 16. Jh) an Oldenburg zum Herzogtum. Und Oldenburg verkaufte das Land an die Hanse Bremen, um diese gegenüber Hamburg zu stärken. Bremerhaven ist jetzt Teil der Hansestadt Bremen, auch wenn es keine Landverbindung zwischen diesen beiden Städten gibt. 

Zwischen Tossens und Burhave, an einem Skulpturenpfad, war an einem langen Steg wieder Gelegenheit, Kraft im Watt zu tanken. Beobachtet von Krebsen, die überall schauten, was das wohl los ist.
Amir Omerovic: Blick über Horizonte an der Kunstpromenade Butjadingen bei Burhave, Eine Figur mit Durchbruch und die Giraffe dazu: Welthandel am Wasser / Archaische Krangiganten / Schiffsbäuche schlucken Autos / Verschwommene Zukunft 
An die Giraffen wird man in allen Caontainerhäfen erinnert, die Kräne erinnen an riesige Herden dieser langhalsigen Tiere.


Gisela Eufe: Der Blick
Die Skulptur mit dem Titel "Der Blick" sucht den Dialog mit dem Betrachter und wird nur durch ihn vollständig. Durch die Blaufärbung werden die Details der menschlichen Gestalt zurückgenommen und die Geste des Herabblickens betont. Die über vier Meter hohe Skulptur steht am Strand von Burhave.
Cornelia Brader: Die Badende
Prüfender Wetterblick / Unschlüssig / Mut zum Wasser







Weiter geht es Richtung Blexen, wir liegen gut in der Zeit für das Deutsche Auswandererhaus.
Links der Containerhafen von Bremerhaven, rechts die Stadt mit Congresszentrum, Auswandererhaus, Klimahaus, Zoo, ... Fischereihafen.




Bremerhaven war leider immer noch nicht mit der Fähre zu erreichen. Im Juni rammte ein steuerloser Frachter die Landungsbrücke. Sie sollte schon längst wieder repariert sein aber es verzögerte sich von Woche zu Woche. Fährersatzverkehr mit Bussen, allerdings nur stündlich und mit einer Fahrtdauer von fast einer Stunde anstatt alle 20 Minuten und einer Überfahrt von 12 Minuten. Die Busfahrerin gab Tipps, wie man den Bus am besten ausnutzt, verteilte Spanngurte und zum Glück waren ausser uns nur wenige andere Radler, sodass wir alle mit dem 14-Uhr-Bus rüberkamen und viel Zeit für das Auswandererhaus hatte.

Mit dem Ersatzbus durch den Wesertunnel unter der Weser ans Ufer von Bremerhaven.
Und das wäre der Fähranleger Bremerhaven gewesen.
Es blieb sogar noch Zeit, um in einem Fahrradgeschäft einen erneuten Speichenbruch zu beheben.

Bremerhaven Oberfeuer: 1854 im Stil der norddeutschen Backsteingotik vom Architekt Simon Loschen aus Bremen erbaut. 39 m hoch. Heute noch zusammen mit dem rot-weissen Unterfeuer (1893) neben dem Zoo (Minarett) in Betrieb als Feuerlinie flussaufwärts Richtung Blexen (gegenüberliegendes Ufer, Fähranleger) in Betrieb. Wird auch als beliebtes Standesamt genutzt. 
Auswandererhaus, Central Station, New York: Das Auswandererhaus ist beeindruckend, man bekommt eine Identität, mit der man durch die Wartehalle zum Kai mit dem Auswandererdampfer geht. Im Licht der Strassenlaternen Abschiedsstimmung, die Geräusche des Wassers, der hohle Klang vom Dampfer, Gespräche.
Man geht aufs Schiff, kommt zum Beispiel je nach Identität in New York an. Man muss den Einbürgerungstest bestehen, Central Station als Tor in das neue Leben. Oder wandert, wie meine Identität die 2.000 km zum Ziel, weil man sich die Bahnfahrt nach der Überfahrt nicht mehr leisten kann.
In der 2. Hälfte ist es dann umgekehrt, Deutschland als Einwanderungsland, man bekommt die Identität eines Einwanderers. 2 Stunden sollte man mindestens einplanen.

Der Hafen mit Congresszentrum, Klimahaus, Auswandererhaus (links beim Schiff).
Den Abend liessen wir dann im Fischereihafen ausklingen. Ein Fischlokal neben dem anderen.

Zurück über das Congresszentrum, Klimahaus zum Havenhostel Bremerhaven in der Abenddämmerung.

Der eigentliche Hafen ist dann der grosse Containerhafen, durch den wir am nächsten Morgen radelten. Schon vom Bett des Havenhostels hatte man einen Blick auf ein grosses Containerschiff.

Das Havenhostel Bremerhaven ist eine ehemalige denkmalgeschützte Kaserne. Wunderschöne Zimmer, reiches Frühstücksbuffet, Fahrradraum und ein Fahrradservice ist auch nicht weit weg Richtung Stadt. Diesen haben wir auch gleich nach der Ankunft um 15 Uhr für die Speichenreparatur gebraucht.

Die Kräne wie eine lange Reihe von Giraffen, dazwischen wuseln wie Ameisen die Transporter mit den Bauklötzen, die sie von den Kränen abgeholt haben und zu ihrem Bestimmungsort bringen. Die Bauklötze sind natütlich Container.

Jetzt radeln wir weiter Richtung Cuxhaven, Hochsommer.

In Dorum Stärkung zum Beispiel mit in Sherry eingelegtem Hering. Und zum Desert dann noch Eis aus der Waffel.
Vor Sahlenburg mit dem Naturschutzzentrum, dem Aussichtspunkt mit Blick hinüber zur Insel Neuwerk wird es hügelig. Hier der Blick auf die "Pass-Strasse". Wir standen oben auf der Aussichtsplattform und lachten uns kringelig, wenn die Radler ankamen und entweder gleich abstiegen und schoben oder es mit Müh und Not bis zur Hälfte schafften und entkräftet dann doch abstiegen. Die ganz sportlichen schafften es unter Aufbietung der letzten Reserven bis zum "Plateau".
Der grosse Teil liess allerdings per eBike fahren.
Die Pferdewagen durch das Watt, die ich bei der Vortour (Bilder siehe dort) beobachten konnte, sahen wir diesmal leider nicht mehr. Sie waren schon auf Neuwerk, die Flut lief bereits auf.
Weiter ging es über Duhnen, Döse zur Kugelbake, dem Wahrzeichen Cuxhavens.
Hier endet der Weserradweg und wir setzen unsere Tour auf dem Elberadweg fort. An dieser Stelle ist auch das Denkmal für die erste Funkverbindung nach Helgoland und die Aufnahme des Seefunks.
Die Kugelbake ist das Seezeichen, dass die Einfahrt in die Elbe markiert. Sie ist hier freilich nicht als Fluss erkennbar, sie ist mehrere Kilometer breit und am anderen Ufer ist bereits Schleswig-Holstein. Bojen markieren die Fahrrinne für die Schiffe.
Und es war Hochsommer Anfang September. Bevor es zum Abendessen in der Bucht ging, war es nach der Hitze des Tages eine Wohltat, sich in die Fluten zu stürzen. Wobei erst ein Fussmarsch durch das auflaufende Wasser angesagt war, bis das Wasser am Rande der Fahrrinne tief genug zum Schwimmen war. Es war ein Genuss, das Wasser war warm, Sandstrand.



Der Semaphor zeigte die Windrichtung und Windstärke von Borkum und Helgoland an, so dass die Kapitäne sich auf das einstellen konnten, was sie auf See erwartete. Dahinter der Hamburger Leuchtturm.


In der Bucht zwischen Cuxhaven und Kugelbake haben wir den Abend unter Palmen ausklingen lassen.

Vom Bett im Havenhostel Cuxhaven blickt man direkt in den Fischereihafen. Nach Bremerhaven fühlte man sich hier natürlich auch gleich zu Hause, es ist fast identisch eingerichtet. Im Gegensatz zu Bremerhaven ist dies ein Neubau, der 2014 eingeweiht wurde.

Am nächsten Morgen ging es nach einem opulenten Frühstück am Hafen in der Sommersonne zunächst noch an der Elbe entlang Richtung Hemmoor. Auf der Elbe herrschte reger Schiffsverkehr.




Vor Hemmoor war ein Muränengebirge in Wingst zu überqueren. Wie ein Riegel stellt es sich einem in den Weg.
Bevor es jetzt aufwärts geht, wird man dringend gewarnt, ab hier auf dem Weg nach Navi zu fahren. Wo wäre man da wohl gelandet?
Mein Navi ist eh im Kopf und damit hat es auf jeden Fall funktioniert :-)
Bevor es jetzt weiterging, wurde das Bio-Obst, dass wir am Tag vorher am Wegrand direkt vom Bauernhof gekauft hatten verzehrt. Leckere alte kleine säuerliche Apfelsorten und die herben festen Zwetschgen von dort, beziehungsweise dem, was von den Zwetschgen noch übrig war. Denn im Hostel konnte ich in der Nacht nicht widerstehen, und habe eine nach der anderen weggenascht. Ich weiss, wir haben hier bei uns die berühmten Bühler Zwetschgen, aber für mich sind die säuerlichen vom Alten Land nicht zu toppen.
Wie dem auch sei, so gestärkt schafften wir es ohne Probleme über Wingst. Ein Familienerholungsort. Als Lohn lockte ich mit einem Cafe im Kurpark. Und Apfelstrudel mit Sahne. Aber vielleicht war es keine Saison mehr oder die Uhrzeit falsch, ... die Rettung war eine einsamer Imbisswagen in einer Lichtung in praller flirrender Sonne. Zu den Chicken Wings, es muss ja nicht jeden Tag Fisch sein, Biker-Bratwürsten, Krautsalat hätte jetzt nur noch eine musikalische Untermalung von Enricco Morricone gehört. Irgendwie hat alles gepasst, on the road again und nachdem wir weiter radelten, hätte auch der Imbiss schliessen können, er hatte ja gerade das Geschäft des Tages gemacht, und die Getränke und Speisen sind ihm ja so ziemlich oder auch ganz ausgegangen.
Das Cafe im Kurpark war tatsächlich zu, also nix mit Nachtisch.
Aber nach Hemmoor ging es jetzt eh abwärts. Und man muss wissen, dass es die Schwebefähre auch wirklich gibt, wenn man den Glauben daran verliert, findet man sie auch nicht, weil man aufgibt, sie zu finden. Man muss einfach immer geradeaus radeln. Auch wenn Hemmoor zuende ist und man den Eindruck hat, man lässt bewohntes Gebiet hinter sich. Keine Sorge, Hemmoor kommt wieder. Vorbei geht es an einem kleinen Freiluft-Museum mit einer kleinen Lokomotive, einem Schiff und, und, und ... . Aber immer noch keine Hinweis auf die Schwebefähre, hier hätte man sie vermuten können. Aber trotzdem nicht nach links abbiegen! In unserem Fall wäre das auch nicht gegangen, links war irgendwo die Bahnlinie und da waren alle Übergänge gesperrt, da gerade ein Gleis ausgetauscht wurde. Also tapfer geradeaus weiterradeln und Augen auf. Und wahrhaftig im nächsten Hemmoor dann der braune Wegweiser nach links, "Schwebefähre". Und jetzt dranbleiben, man muss noch ein Stück radeln, und dann ist man an der Oste und von der modernen Brücke aus sieht man sie dann:


Wir schweben über die Oste. Weltweit gibt es nur noch 8 Schwebefähren. 2 davon sind in Deutschland. Und Hemmoor ist eine davon. Auf der Strasse Richtung Bahnhof Hemmoor werden auf Tafeln alle 8 Fähren (und auch nicht mehr existierende) beschrieben.
Von Hemmoor ging es dann mit dem Zug nach Hamburg.
Auf der Terrasse über den Landungsbrücken geniessen wir beim Abendessen in der Jugendherberge Am Stintfang den Sonnenuntergang. Danach radelten wir an der Davidswache vorbei über die Reeperbahn, St. Pauli. Zurück zum Hafen mit Feuerschiff und Missisippidampfer.

Am Kreuzfahrtterminal im Hamburger Hafen liessen wir den Abend ausklingen.



Der letzte Tag bei bestem Hochsommerwetter. Viel zu schade, um Abschied zu nehmen.

Neues Kreuzfahrtterminal in Altona
Am nächsten und damit letzten Tag radelten wir an der Elbe am Alten Schweden (vor 400.000 Jahren von einem Gletscher von Smaland in den jetzigen Hamburger Hafen geschoben)  vorbei,
Blankenese zum Leuchtturm in Wittenbergen.
Bei hochsommerlichen 30 Grad musste ich einfach in die Badehose und in die Elbe schwimmen. Gegen die Strömung, um nicht rausgezogen zu werden. Weiter ging es über die Landesgrenze nach Wedel zum Willkomm-Höft, der Schiffsbegrüssungsanlage von Hamburg. Mit der Nationalhymne des Schiffes und dessen Landessprache wird das Schiff begrüsst. Anschliessend werden die technischen Daten, Ladung, Route angegeben.
Am Schulauer Fährhaus stärkten wir uns und auch für Fahrradreparaturen war alles vorhanden.

Zurück radelten wir dann bis Altona. Unten direkt an der Elbe wurden nochmal die Spezialitäten der See genossen.
Anschliessend ging es vom neuen Fährterminal hoch zur Elbterasse am Hochufer von Altona. Entspannung mit Blick über Hafen, Elbbrücke. Entschleunigen.



In der Fussgängerzone von Altona beim Bahnhof versüssten wir uns in einem Eiscafe das Warten auf den Nachtzug zurück nach Karlsruhe. Und die letzten Heidelbeer-Muffins als Proviant mitgenommen; Muffins, die ich hier oben im Norden geniessen gelernt hatte :-)

Und wenn ich in Altona bin muss ich auch immer an Ringelnatz denken:

Die Ameisen

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.

So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.

Es war eine wunderbare Tour mit einer harmonischen Gruppe. Ausser gebrochenen Speichen gab es keine Probleme.
Und vielen Dank auch für die Fotos von Joachim und Thomas. So bin auch ich mal zu sehen und als Tourguide kann ich ja nicht alle naselang stehenbleiben, zum fotografieren.
Und auf den Bildern von Thomas habe ich auch den Tourverlauf von Etappe zu Etappe. Danke dafür.
Da habe ich auf den Vortouren mehr Zeit. Deshalb beziehe ich mich hin und wieder darauf.

Hier zu den Fotoalben von Cornelius, Joachim, Thomas und Ursel. Manchmal habe ich den Eindruck, das Ursel mit ihren Augen fotografiert, soviele Details auf dem Weg hat sie eingefangen. 




Und wie gesagt, im Post der Vortour sind weitere Informationen und Bilder


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